Frauen in der IT

Janina Ritsche ist Führungskraft bei den Dataciders der SD&C in Berlin und Ansprechpartnerin für ein fünfköpfiges Team. Frauen in der IT– eine Seltenheit. Im Rahmen eines Interviews gehen wir gemeinsam auf das Thema ein.

1.) Danke Janina, dass du dir die Zeit für das Interview nimmst. Was ist dein beruflicher Hintergrund? Wolltest du schon immer in die IT-Branche?

Tatsächlich ist mein Einstieg in die IT-Branche über einen Umweg erfolgt, denn meine berufliche Laufbahn habe ich als gelernte Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte begonnen. Weil ich aber darin mein berufliches Glück nicht finden konnte, beschloss ich einen Studiengang auszuwählen und eine neue Richtung einzuschlagen. Im Internet bin ich auf das Studium Informatik & Wirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin gestoßen. Die Hochschule bietet jährlich ein Programm an, wo 40 Frauen in diesem Fachbereich ausgebildet werden. Dies geschieht ganz bewusst mit dem Vorsatz, mehr Frauen für die IT-Branche zu gewinnen. Auch ohne technische Vorkenntnisse stand mir nichts im Wege. Nach einem erfolgreich bestandenen Bewerbungsprozess trat ich also für die nächsten 3,5 Jahre mein Studium an. Ich bin froh, dass es diesen Studiengang für Frauen gibt, denn ein reines Männerumfeld wäre für mich nicht attraktiv genug gewesen.

2.) Aktuell liegt die Bewerberinnenquote in der IT-Landschaft bei 10%-20%*. Würdest du dir im Job mehr weibliche Unterstützung wünschen?

Unbedingt. Meine Kolleginnen und ich würden uns sehr über weibliche Verstärkung in der IT-Branche freuen, auch wenn unser Team relativ gut aufgestellt ist, was die Geschlechterverteilung anbelangt. Ich tue auch aktiv etwas dafür: Kürzlich konnte ich erfolgreich den Kontakt zu den Dozentinnen der HTW Berlin aufnehmen, die diesen Studiengang für Frauen ins Leben gerufen haben. Ich würde mich freuen, wenn eine Zusammenarbeit entsteht und wir somit auch die Studienabsolventinnen heranholen und den weiblichen Nachwuchs fördern können.

3.) Warum wagen sich zu wenig Frauen an die IT-Branche heran?

Es gibt zu wenig Aufklärung über die Bereiche und mögliche Spezialisierungen in der IT, vermutlich hapert es daran. Man müsste die Branche viel besser vermarkten und aufzeigen, dass hier auch insbesondere logisches Denken, ein Verständnis für sowie Lust auf komplexe und komplizierte Sachverhalte und Fingerspitzengefühl in zwischenmenschlichen Beziehungen gefragt sind. Die meisten halten die Branche ausschließlich für technisch und weniger kreativ, was ein Vorurteil darstellt.

4.) Wirst du, wenn du neue Bekanntschaften machst, fragend angeschaut, sobald du erzählst, was du beruflich machst?

Das ist echt unterschiedlich. Manche nehmen an, dass ich als Programmiererin unterwegs bin. Die anderen denken, dass sie in mir die persönliche technische Unterstützung gefunden haben und fragen mich dann, ob ich mal ihren Laptop reparieren oder den nicht funktionierenden Drucker wieder in Ordnung bringen kann. Daran lässt sich erkennen, wie wenig die Leute darüber wissen, was IT eigentlich alles umfasst. Inzwischen erkläre ich meinen Beruf tatsächlich so: Als Beraterin in der IT-Branche arbeite ich in verschiedensten Projekten und für unterschiedliche Auftraggebende. Sobald wir einen neuen Auftrag für uns gewinnen konnten, müssen wir uns über die geschäftliche Herausforderung im Klaren werden. Darauf folgt eine eigenständige Business Analyse bei der wir anschließend kreative Vorschläge zur Veränderung einbringen. Das kann von der Einführung von Software, über die individuelle Softwareentwicklung bis hin zur Optimierung von Prozessen und Arbeitsweisen gehen. Ich schaue allen Beteiligten dafür sprichwörtlich über die Schulter, lerne sie, den Arbeitsalltag, Hürden und Hindernisse kennen und finde Lösungen, um ihren Arbeitsalltag zu optimieren. Und wenn es dann zu einer Realisierung kommt, bin ich dafür verantwortlich, die Sprache unserer Kund*innen und die fachlichen Anforderungen so zu formulieren, dass Entwickler*innen – oder wie wir sie vorhin genannt haben, Programmier*innen – sie in Form von Technik und Software umsetzen können. Das muss ich dann auch so erklären. Die meisten Personen, denen ich begegne, sind von meinem Job beeindruckt und positiv überrascht, weil eine Frau in der IT nicht so häufig vorkommt.

5.) Ist es für dich etwas Besonderes, als Frau in der IT zu arbeiten?

Ich liebe meinen Job und bin stolz auf meine Tätigkeit und stolz darauf, dass wir Frauen die IT-Branche rocken. Mein Team besteht zu einem Drittel aus Frauen und durch den gelungenen Mix schaffen wir es gegenseitig Stärken und Schwächen auszugleichen, die in der Persönlichkeit (z.B. introvertiert und extrovertiert) liegen. Besonders ist es auch deswegen, weil ich empfinde, dass Selbstbewusstsein auch über Wissen entsteht und ich kann sagen, dass man in diesem Bereich niemals aufhört neue interessante Dinge zu lernen und dem Wissensdurst keine Grenzen gesetzt sind.

6.) Was sind die Chancen und Risiken in der IT-Branche?

Heutzutage kommt unsere Jugend schnell mit Technik in Berührung, dadurch kann frühzeitig Interesse entwickelt werden. Technologie ist Zukunft. Als Risiko betrachte ich, dass einige die Branche dadurch abschreckend finden könnten, weil sie denken, dass die Digitalisierung dafür sorgt, dass Arbeitsplätze niedergemacht werden. Mein persönliches Anliegen der Digitalisierung ist es, stupide, wiederkehrende Aufgaben an Maschinen oder Systeme abzugeben und Geschäftsprozesse so zu vereinfachen.

7.) Du bist Mutter und das Thema Ausbildung, Studium und Beruf wird auf jeden Fall auch ein Thema in deiner Familie sein. Wirst du den IT-Bereich empfehlen können?

Dem Nachwuchs kann ich unsere Branche auf jeden Fall empfehlen, weil ich denke, dass sie die mitunter vielversprechendsten Zukunftsberufe umfasst und man gut Fuß darin fassen kann. Es gibt ja nicht nur Softwareberufe, man kann sich beispielsweise auch mit Security-Themen oder Design beschäftigen. Die IT-Landschaft ist wahnsinnig vielschichtig.

8.) Worauf guckst du als Führungskraft beim Nachwuchs in der IT-Branche?

Ich schaue auf die Power, den Tatendrang und die Willenskraft. Lust, nicht nur was dazuzulernen, sondern auch etwas zu schaffen und umzusetzen. Diese positiven Energien können auch die Kompetenzen ausgleichen, die man noch nicht erworben hat.

9.)  Wie kann man Frauen in der IT-Branche noch besser unterstützen oder begeistern?

Man müsste beizeiten Aufklärung betreiben, um Interesse zu wecken, das geht schon in den Oberschulen los. Dort sollten mal Projekte vorgestellt werden. Teilnahmen beim Girls Day. Werben für Studiengänge. Selbst mein Studiengang war und ist einfach zu unbekannt.

10.) Und wenn sich Frauen für die IT-Branche nun entschieden haben und jetzt durchstarten- was gibst du Berufseinsteigerinnen und Frauen in der Informatik mit auf den Weg?

Sei dir bewusst, dass du etwas verändern und bewirken kannst und wirst. Und halte durch, auch wenn es mal nicht nach Plan läuft, denn auch das gehört dazu.

*Quellenangabe: Studie Verband der Internetwirtschaft, Link: https://www.eco.de/rahmen-und-arbeitsbedingungen-fuer-frauen-in-der-internetwirtschaft-ist-situation-und-handlungsempfehlungen/